Mein erster Cronenberg-Film war nach dem Kinobesuch was anderes als ich zunächst erhofft hatte, aber spätestens nach dem Anschauen zu Hause hat mich dieses intensive Filmerlebnis überzeugt.
Ein junges Mädchen bricht schwanger in der Öffentlichkeit zusammen. Später im Krankenhaus kann nur ihr Neugeborenes gerettet werden. Die junge Mutter stirbt. Die Verantwortliche Hebamme Anna versucht nun die Eltern der Verstorbenen oder wenigstens Verwandte zu finden, damit das neugeborene Kind nicht ins Heim muss. Doch außer einem in russischer Sprache geschriebenen Tagebuch findet sie nichts. Sie lässt das Tagebuch von ihrem russischen Onkel übersetzen und dieser stellt fest, dass sich das Mädchen in Händen der Russischen Mafia befand und rät Anna von weiteren Nachforschungen ab. Doch hat bereits der Mafia-Boss Semyon von diesem Tagebuch erfahren und setzt nun alles daran dieses in die Hände zu bekommen, da in diesem Tagebuch auch einige heikle Sachen über ihn und seinen Sohn Kirill stehen, die beide in Schwierigkeiten bringen könnten…
Der Regisseur David Cronenberg schuf mit Tödliche Versprechen einen Mafia-Film, der vielleicht nicht den üblichen Gesetzmäßigkeiten entsprechen mag. Die Story handelt von der russischen Mafia in London, die vorwiegend mit Menschenhandel ihr Geld macht, d.h. junge Frauen aus dem Osten in den Westen lockt und als Prostituierte missbraucht. Als nun eine dieser Frauen fliehen kann hinterlässt sie ein Tagebuch, dass dem herrschenden Mafia-Boss viel Ärger bereitet. Der Film zeichnet sich durch ein eher langsames Tempo aus, bei dem aber die wenigen Gewalt- und Actionszenen herausstechen.
Die Gewalt von Tödliche Versprechen ist sehr überlegt dosiert und wird so präzise eingesetzt, dass sie den Zuschauer aufgrund ihrer sehr realistischen Darstellung schockieren wird. Es laufen eigentlich zwei Handlungen parallel ab. Da ist Annas Versuch die Zukunft des neugeborenen Kindes zu sichern, in dem sie ihre Verwandten ausmacht und gleichzeitig bekommt der Zuschauer Einblicke ins Innere der Mafia-Welt. Leider reicht dieser Einblick meiner Meinung nach nicht weit genug. Es werden keine Mafia-Geschäfte oder irgendwelche Konflikte dargestellt, sondern sich vielmehr auf die Dreiecksbeziehung von dem Mafia-Boss Semyon, seinem Sohn Kirill und dem Fahrer Nikolei konzentriert. Mir fehlte hier die sogenannte „Mafia-Welt“ mit den zwielichtigen Gestalten oder ähnliches.
Positiv anzumerken ist die schauspielerische Leistung der Akteure. Die Darstellung des Nikolei von Viggo Mortensen ist an Authentizität kaum zu überbieten und trägt einen ganz erheblichen Teil dazu bei, dass der Film gelingt. Auch Naomi Watts als Anna und Vincent Cassel als Kirill wissen zu überzeugen, wobei ich für ihre Rollen eher andere Schauspieler gesehen hätte als bei Armin Mueller-Stahl, der für die Rolle des Mafia-Bosses Semyon eine geeignete Wahl war, weil er eben nicht wie ein Gangster aussieht und wie ein Wolf im Schafspelz wirkt. Untermalt wird das Spiel mit dezenter, melancholischer und sehr stimmiger Musik.
Im Grunde bietet Tödliche Versprechen keinen Unterhaltungsfilm im engeren Sinne. Es ist ein Film, der zum Nachdenken stimmt. Nicht unbedingt, weil er eine tiefgründige Botschaft hat, sondern mehr aufgrund der Art wie der Film gemacht wurde. Dieser Film versucht gar nicht irgendwelche Klischees zu erfüllen und wird so sicherlich nicht jedem gefallen. Auch ich war nach dem Kinobesuch etwas enttäuscht. Der Plot schien mir nicht ganz zu passen und ich fand, dass hier viel Potenzial verschenkt wurde einen authentischen Russen-Mafia-Film zu drehen. Stattdessen lag meiner Meinung nach der Schwerpunkt zu sehr auf der Geschichte des toten Mädchens.
Nach dem Anschauen der DVD hätte ich zwar immer noch lieber mehr Szenen mit Viggo Mortensen als mit Naomi Watts gesehen. Da ist Nikolei einfach „sympathischer“. Aber man muss akzeptieren, dass die Intention nicht auf einer reinen Mafia-Story lag. Leider sind aber die russisch gesprochenen Dialoge der nicht-russischen Darsteller nicht so leicht zu akzeptieren. Wenn man selber Russisch spricht, sind diese Stellen mehr als ein Stimmungsdämpfer. Das Bonus-Material ist soweit gut gelungenen und bietet mit einer Laufzeit von ca. 73 min. einige interessante Hintergrundinfos.
Ich kann Tödliche Versprechen, trotz einiger Unstimmigkeiten, dennoch empfehlen und vielleicht wird man diesen Film in einigen Jahren als Klassiker bezeichnen.
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